Der neue Alltag zuhause

Wie es uns zurück in Deutschland so geht

Wir waren vier Jahre unterwegs und waren - als wir diesen Text verfasst haben - seit gut einem Jahr wieder in Deutschland. Unsere Einschätzung hat sich allerdings bis heute nicht wesentlich verändert.

 

Der Wiedereinstieg in den Beruf klappte besser als befürchtet. Allerdings gehen uns die alltägliche Hektik, die weit verbreitete Unfreundlichkeit, die Egomanie und das Desinteresse an den Mitmenschen immer mal wieder auf die Nerven. Auch werden in unserem Umfeld viele Dinge (vor allem Prestige- und Konsumdinge) wichtig genommen, die für uns weniger wichtig geworden sind.


Für die Kinder allerdings war die Umstellung dramatisch. Sie sind in die fünfte und sechste Klasse eingeschult und gleich mit der Einführung von G-8 (dem zeitlich verkürzten Gymnasium) konfrontiert worden. 36 Wochenstunden Unterricht plus täglich im Durchschnitt eineinhalb bis zwei Stunden Hausaufgaben! Auch die Lehrer sind im Stress; es bleibt kaum Zeit sich um soziales Miteinander zu kümmern. Wir haben den Eindruck, dass wir einigen auf den Wecker fallen mit unseren Terminwünschen für Gespräche, in denen wir um Verständnis für die besondere Situation unserer Kinder werben wollen.


Unsere Kinder waren in der Klasse sofort die Außenseiter: sie hatten keinen Computer, kein Handy, keine coolen Markenklamotten, keinen Fernseher mit DVD auf ihrem Zimmer. Für das, was sie erlebt hatten, interessierte sich niemand, es ging immer nur darum, wer "der bessere" ist, wer "das bessere" besitzt. Vor allem unter den Jungs war es extrem. Und extra-cool war es dann noch, die härtesten Horrorfilme zu gucken und Kampf-Computerspiele zu spielen (wenn die Eltern nachmittags nicht zuhause waren). Mit all dem konnten unsere Kinder zunächst wenig anfangen. Unterstützung von den Lehrern gibt es wenig, "schließlich müssen die Kinder lernen, sich selbst zu verteidigen!" Die Lust am Lernen nimmt rapide ab.

 

Solidarität, Rücksichtnahme, Einfühlungsvermögen - wo haben sie ihren Platz im deutschen Schulalltag? Unterwegs auf unseren segelnden 1o Metern waren diese Fähigkeiten Alltagserfordernisse, sonst wäre eine solche Reise gar nicht möglich gewesen. Und die herzliche Gastfreundschaft der Menschen in den besuchten Ländern suchen wir hier vergebens. Die Kinder freunden sich vor allem mit Mitschülern an, "die sonst keine Freunde haben"... Unser Freundeskreis beschränkt sich auf sehr wenige, dafür sehr intensive Freundschaften.

Wie sieht es heute aus?

(Heute, das war im Herbst 2009, 15 Monate nach unserer Rückkehr)


Die Kinder haben jedes ein Handy; einen Computer nutzen sie gemeinsam. Wir haben nach wie vor keinen Fernseher und verbringen unsere Abende lieber mit lesen, spielen und Gesprächen. Die Kinder gucken gelegentlich bei Oma fern.
Wir sind viel draußen unterwegs, gehen spazieren, wandern, arbeiten im Garten. Der Sommer war relativ sonnig, so dass die Kinder oft im Schwimmbad waren.
Wir konzentrieren uns auf die schönen Seiten in unserem "neuen" Zuhause, entwickeln unsere Achtsamkeit für die vielen kleinen positiven Dinge und ziehen daraus unsere Lebensfreude.

Die Ferien verbringen wir auf unserer MORGANE auf La Gomera. Als ich das Steckschott heraus genommem hatte, stürzte sich unser Sohn in seine Koje und rief: "Hier ist mein richtiges Zuhause!"

 

Die Lust unterwegs zu sein, die Freude am Neuen, Fremden, Anderen, der Spaß am  Abenteuer, das Fernweh - sie alle haben sich ganz tief in uns eingenistet. Und eines Tages wird die Zeit wieder reif sein ...